Mittwoch, 6. September 2006

Notiz

(John Cage im Gespräch mit Daniel Charles, Quelle:"Für die Vögel", Merve Verlag Berlin)

Sie haben vor kurzem im Sinne Buckminster Fullers - während eines Interviews im französischen Rundfunk - ein Beispiel von etwas Nützlichem gegeben, das mich beeindruckte. Sie sprachen von einer Zeitschrift, die man essen kann, nachdem sie gelesen wurde. Wofür sollte so etwas gut sein?

Erst einmal sagt Buckminster Fuller: wir müssen alle Ressourcen dieser Welt in einen flüssigen, fließenden, mobilen Zustand transferieren, so dass nichts existiert, was wir loswerden möchten. Das ist der erste Punkt: keine Umweltverschmutzung mehr! Statt zuzulassen, dass unsere Atmosphäre von Umweltgiften verseucht wird, die für die Luft, die wir atmen, fatal sind, müssen wir die Ressourcen dort einsetzen, wo sie nützlich sind.

Sicherlich, aber wo gibt's da eine Verbindung?

Gut, anstatt all die alten Zeitungen herumliegen zu lassen und uns dadurch gezwungen zu sehen, sie wieder loswerden zu müssen, wäre es da nicht besser, sie genießbar zu machen? Könnten wir sie nicht essen?

Und sie glauben ernsthaft, daß wir dadurch die Umweltverschmutzung abschaffen könnten?

Es ist heutzutage sehr leicht, etwas zu produzieren, worauf man schreiben kann - etwas, was anschließend gegessen werden kann! Die Tinte könnte neue Gerüche und einen neuen Geschmack haben. Man könnte eine Zeitung kaufen gehen und damit gleichzeitig ein Pfeffersteak erwerben!

Samstag, 26. August 2006

Notiz

"Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann."
Francis Picabia

Donnerstag, 24. August 2006

Notiz

Eine Frau vergißt ihren Mantel

stattdessen trägt sie das Tapetenmuster
stattdessen trägt sie das Tapetenmuster
stattdessen trägt sie das Tapetenmuster


Oh ja, die Psychoanalyse ist ganz sicher nicht Der gestohlene Brief, wohl aber die "Zwangswahl". Durchgesetzt hat sie sich, weil sie der Binärmaschine neuen Stoff liefert und neues Terrain erschloß, ganz so wie man es von einem Machtapparat erwarten muß. Nicht durchgesetzt hat sie sich dort, wo andere Mittel und Wege sich anboten. Die Psychoanalyse ist ein eisiges Unternehmen (Kultur der Todestriebe und der Kastration, Kultur des "schmutzigen kleinen Geheimnisses") zur Verbannung alles dessen, was außerhalb des Rasters liegt, (...)
Tatsächlich ist die Binärmaschine ein wichtiges Teilstück aller Machtapparate. Deren Interesse geht darauf, ausreichend Dichotomie zu errichten, damit ein jeder an der Wand abkonterfeit, in ein Loch gesteckt werden kann. Noch die Abweichungen werden nach dem Grad der binären Wahl gemessen: Du bist weder Weißer noch Schwarzer - also Araber? Oder Mischling? Du bist weder Mann noch Frau - also Transvestit? Das System weiße Wand - schwarzes Loch: hier haben wir es wieder. Und es ist so verwunderlich nicht, daß darin dem Gesicht eine solche Bedeutung zukommt: Man hat, an dieser oder jener Stelle innerhalb der möglichen Elementareinheiten, auf diesem oder jenem Niveau der sukzessiven Wahlmöglichkeiten, das seiner Rolle entsprechende Gesicht zu zeigen.
(Gilles Deleuze/Claire Parnet, Dialoge, edition suhrkamp, S. 28/29)

Mittwoch, 23. August 2006

Marta

"Zuerst studierte ich ein paar Semester Psychologie. Meine Mutter hat immer gesagt: du spinnst doch! Sei endlich still! Aber ich habe gewusst, dass da was nicht stimmt, wenn plötzlich so viele Leute verschwinden. Ich bin fast verrückt geworden! Das Tanzen hat mir das Leben gerettet."

Donnerstag, 3. August 2006

Kleine Freiheit

"Mir geht es gut", sagt Herr K.,"doch meine Wohnung ist in einem desolaten Zustand!"
Herr K., Jahrgang zwanzig, zirka einssechzig groß, Fliegengewicht.
Herr K., einst Artist, Reisender, ohne festen Wohnsitz.
Herr K. trägt graue Anzüge und weiße Hemden.
Herr K. frühstückt außerhalb. Prinzipiell.
Herr K. lebt jetzt fest in Hamburg, Kleine Freiheit, Hausnummer 8.
Herr K. hat zwei Türklinken mit Schloß eingebaut. "Sicher ist sicher."

Sonntag, 23. Juli 2006

Notiz

(aus: Milo Dor, Grenzüberschreitungen)

Der achzigjährige Schlojme Abramowicz kommt ins Auswanderungsamt in Warschau und bittet, ihm die Ausreise nach Israel, dem Land seiner Vorfahren, zu ermöglichen. Die Beamten überlegen nur kurz - es gilt doch, sich eines unnützen Essers zu entledigen -, stellen ihm einen Pass aus, drücken ihm eine Schiffskarte in die Hand und wünschen ihm eine gute Fahrt.
Nach zweiwöchiger Schiffsreise, es handelt sich um einen Frachter, der in einigen Häfen halten musste, erreichte der alte Schlojme Israel, wo er schon nach einer Woche zur Einwanderungsbehörde geht und die Beamten bittet, ihn wieder nach Polen zurückkehren zu lassen. Hier kenne er niemanden und zu Hause habe er Freunde und Verwandte, die er nun vermisse. Die Beamten reservieren ihm, ohne viel zu überlegen, eine bescheidene Kabine auf einem Frachter und lassen ihn gehen.
Kaum in Polen angekommen, sucht Schlojme wieder das Auswanderungsamt auf. Er habe voreilig gehandelt, erklärte er, er fühle sich hier nicht so recht wohl und wolle es noch einmal mit Israel versuchen. Ohne viel Federlesens händigt man ihm wieder eine Schiffspassage aus.
Doch in Israel hält er es auch diesmal nicht lange aus. Er habe hin und her überlegt und dabei festgestellt, dass er sich hier nicht besonders wohl fühle, weil ihm alles fremd sei. Den Beamten bleibt nichts anderes übrig, als ihn ziehen zu lassen.
Als er zum dritten Mal das Auswanderungsamt in Warschau betritt, werden die Beamten langsam ungehalten.
"Sie fühlen sich also in Polen nicht wohl?", fragt ihn einer von ihnen.
"Nein", antwortet der alte Schlojme wahrheitsgemäß.
"Aber in Israel offenbar auch nicht?"
"Nein."
"Wo fühlen sich sich, zum Teufel, überhaupt wohl?"
"Auf dem Schiff."

Mittwoch, 28. Juni 2006

Notiz

Im Mauerpark blüht jede Menge Heidekraut. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Gelände zwischen russischem und französischem Sektor geteilt. Ein Teil des ehemaligen Exerzierplatzes auf östlicher Seite verschwand unter einem Schuttberg. Mit dem Mauerbau wurde das Gebiet zum Todesstreifen.

Nach der Wende setzte sich eine Bürgerinitiative dafür ein, dass hier ein Park errichtet wird.

Aus der Ferne sieht der steil abfallende Hügel aus, wie ein Lavendelfeld. Nur der Duft fehlt. Man muss einen Büschel in die Hand nehmen, um diesem Blütenmeer etwas anderes, als die irritierende Geruchslosigkeit, abzugewinnen: nein, das ist kein Traum. Das ist auch keine Fototapete. Heidekraut riecht nun mal nicht.

Vor ein paar Jahren war ich in Wien in der Ungargasse. Ich wollte wissen, ob es diese Tür mit den Löwenköpfen gibt, die Ingeborg Bachmann in ihrem Buch Malina beschreibt. Es gibt sie tatsächlich. Plötzlich ist man mittendrin.

Samstag, 24. Juni 2006

Notiz

Vor den Sanierungen im Prenzlauer Berg wurde in den meisten Wohnungen noch mit Kohlen geheizt. Und so roch es auch im Winter in den Straßen. Unser Hinterhof war dunkel und feucht; entsprechend das dort vorhandene Biotop aus Efeu, Moos und Farn. Ab und zu krachte ein großes Stück Putz von der Hauswand in sein Inneres. Ein Wunder, dass niemand jemals davon erschlagen wurde.
Heute genieße ich die konstante Wärme einer Zentralheizung, die Wirkung gut isolierter Fenster und rostfreies Wasser aus der Leitung. Die Mauer, die den Hinterhof vom Nebenhaus und unserem trennte, wurde abgerissen, so dass sich dessen Größe nun verdoppelt hat. Im Sommer, eine grüne Oase mit Rasenflächen und Sträuchern; Spatzen, Amseln und Meisen.
Von den Mietern, die bereits zu DDR-Zeiten hier gelebt haben, sind nach der Sanierung nur wenige zurückgekommen.

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